Segeln in der Karibik
 
SWAN 43

Rasmus

 

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Ed + Aniko:
Meine Seele ist etwas verwirrt – wir sind so etwas ähnliches wie "angekommen", hier in Venezuela, das letzte Land auf unserer Reise, gewissermaßen Endstation.

Hier trennen sich wiederum die Pfade der Segler, die einen segeln westwärts mit Passat und Strom zur engen Pforte vor der großen Weite: Pazifik. Andere machen kehrt, segeln die Antillen nordwärts um im Mai/Juni über die Azoren nach Europa zurückzukehren, andere bleiben im karibischen Becken, leben schon seit Jahren auf ihren Booten, mit eher kurzen "Landurlauben"

Ja, und meine Seele, mein Gemüt pendelt und taumelt etwas verwirrt, benommen, Orientierung suchend zwischen Ankommen und Aufbrechen, Heimkommen und Verreisen. Neugier auf dieses riesige Venezuela, das uns auf den Los Testigos empfangen hat wie im Märchen, mit offenherzigen Fischern, die uns mit einem Berg gegrillter Langusten, und tags darauf mit einer eigens für uns erlegten Wildziege, archaisch geschlachtet, abgehautet am Ast eines alten knorrigen Baumes, am weißen Strand von Testigo pequena, bekocht haben.

Dort, wo in einer schmalen Furt von etwa 30 Metern knietiefem, blaugrünem Wasser der Atlantik und das karibische Meer sich die Fingerkuppen reichen, wie Gott und Adam in der Sixtinischen Kapelle.
 

Und diese wunderbaren, archaischen Gastmähler, beim knisternden Feuer, unter dem Wellblech einer alten Hütte durchweht vom milden, nächtlichen Passat – und natürlich schien der rote Mond durchs Dach.... alter Bilbao Mond du hast mich nie verschont, das hab ich oft betont.... und zur "Quatro", eine kleine viersaitige Gitarre, sangen sie heimische Lieder zu denen wir tanzend uns drehten im noch sonnengewärmten Sand....

Und Chon Chon, wettergegerbtes Gesicht, noch üppiges Grau quillt gelockt unter seinem Hut hervor und fast bis zur Schulter herab, ein verschmitztes Lausbubenlächeln in seinen Augen. Chon Chon also, der Gastgeber, Koch und Inselvater (nach seinen eigenen Angaben zeugt er zwischen 8 und 12 Kinder, alle nun erwachsen, wir lernen 3-4 seiner Söhne kennen) verweigert jegliche Bezahlung, keinen Bolivar für die Langusten, keinen für die Ziege.

De nada!

Begründung: "Ich arbeite", so erklärte er mir, "vier Monate im Jahr, von Juni bis September. Da bewirte ich die Segler, die die Hurricanseason fliehen. Die restliche Zeit arbeite ich nicht. Ich habe Euch bekocht, weil es mir Spaß gemacht hat, wir hatten wunderbare Abende. Wenn ich dafür Geld nehme", so schließt er messerscharf, "würde ich außer der Saison arbeiten. Das kommt nicht in Frage."

Wir bedanken uns mit unseren offenen Herzen und Naturalien. Es gibt auf den Los Testigos kaum irgendetwas zu kaufen, keinen Supermarkt. In zwei Siedlungen und auf den Inseln verstreut leben insgesamt 300 Menschen ein für uns nicht wirklich vorstellbares, karges Leben in wunderbarem Ambiente.

Nach den Wochen auf den Windwards wo dir auf Schritt und Tritt jeder irgendetwas verkaufen will, waren die Tage auf den Los Testigos wie die Rückkehr ins verloren gegangen Paradies, wie die magische Einkehr in ein Wunderland, geradezu unwirklich. Tatsächlich haben wir uns mehrmals in den Arm gezwickt um unser Wachsein zu überprüfen.


Aniko und Ed haben auf ihrem Schiff Kairos II im Dezember 2001 den Atlantik überquert. Sie verbrachten einige Wochen in den Windward Islands und verließen Grenada im März Richtung Venezuela um auch Zeit in dieser Gegend zu verbringen. Seit Mai 2002 sind sie wieder zurück in Wien.