Segeln in der Karibik
 
SWAN 43

Rasmus

 

 > News > Törnbericht > Betty und der Mann mit dem Pferdeschwanz

22.01.10

Törn 2 - Betty und der Mann mit dem Pferdeschwanz

Vor vielen, vielen Jahren ist Bettys Mann zur See gefahren. Ferne Länder hat er bereist, die Weite der Ozeane erlebt, von fremden Gerüchen und Speisen gekostet. Das Gefühl der Freiheit war beinahe unendlich und ganz in der Ferne, am Horizont, hat immer wieder ein neues und spannendes Erlebnis auf ihn gewartet. Doch noch ein bisschen weiter, nicht am, sondern hinter dem Horizont und wohl auch in seinem Kopf war der Anker, der ruhige Ort, an dem er sich von den Strapazen seiner Reisen erholen konnte: die Heimat.

Eines schönen Tages haben sich Betty und ihr Mann in dieser Heimat kennen gelernt und so groß war ihre Liebe, dass sie schon bald heirateten und ein gemeinsames Heim gründeten, in das ihnen ein kleiner Sohn geboren wurde. Bettys Mann wurde sesshaft – nach einigen Jahren für Bettys Geschmack fast zu sesshaft…

Nun hatte sie den Ruf der Ferne in den Ohren. Da sie schon von Kindesbeinen an sehr musikalisch war vereinte sie die unterschiedlichen Töne und Klänge, die von all den fremden Städten und Länder zu Ihr getragen wurden, sehr bald zu einer ganz wunderbaren Melodie die anschwoll und wieder leiser wurde aber nie verstummte und offensichtlich nur ein Ziel hatte: Betty in die weite Welt hinaus zu locken.

Betty brachte Chöre zum Singen und Orchester zum Spielen aber leider, leider war Bettys Mann auf einem Ohr fast taub geworden und so konnte er diesen lockenden Klag der Ferne nicht mehr in der selben Intensität wahrnehmen wie sie selber. Der heimatliche Bass schien trotz mancher, fast heimlicher Ausflüge in die Höhen der Fremde, für Bettys Mann immer am Beständigsten zu spielen.

Seit einigen Jahren schon spielte in Bettys Orchester die helle Melodie der Karibik und das sanfte Rauschen der Wellen zu den leichten Bewegungen der Rasmus. Zu erst ganz leise und wohl irgendwie im Hintergrund begann sich dieses sonnige Trio zu einer auffälligen und immer wieder genährten Leitmelodie zu entwickeln.

Und irgendwann hatte Betty fast keine Wahl mehr und als es dann so weit war konnten sie weder Bürokratie noch liebe Traditionen der Heimat und schon gar nicht der alles anhaltende Schnee aufhalten! Und so ist es ihr gelungen zuerst ganz leicht und easy und dann unter dem Schutz königlicher Schwingen gemeinsam mit der Sonne in den Westen zu ziehen.

Auf dieser langen, langen Reise widerstand Betty den lauten Geschichten eines sehr großen Mannes, konnte sich schwer aber doch, aus seinen Märchen befreien und war glücklich an ihrer anderen Seite den weniger redseligen Mann mit einem Pferdeschwanz zu entdecken.

Bald schon erkannten Betty und der Mann mit dem Pferdeschwanz die erstaunliche Ähnlichkeit ihrer Ziele und Wünsche für den Ort am Ende dieser langen Reise. Sie waren zwar nicht die selben, aber doch soooo ähnlich.

Und siehe da, letztendlich früher als gedacht waren sie da: die Karibik, die Wellen und die Rasmus.

Betty und der Mann mit dem Pferdeschwanz haben sich in alles wunderbar eingelebt – sie haben den viel langsameren Gang der Karibik ebenso schnell akzeptiert wie die unterschiedliche Intensität der Wellen und bald schon scheint es als wären ihnen sowohl die Tücken als auch die Liebenswürdigkeiten der alten Rasmus und ihrer Crew seit langem vertraut.

Betty, der Mann mit dem Pferdeschwanz, Rasmus und ihre Crew streifen nun also als umtriebiges Quintett durch die Karibik. Sie schwimmen, segeln, die Zehen im Sand, lassen sie die Sonne an einsamen Stränden untergehen, schnorcheln, kochen. Ein Ausflug führt sie, fast wie von einer Zeitmaschine um Jahrzehnte zurückversetzt, zu den letzten Schiffsbauern der hölzernen Carriacou Sloop, einem Arbeits- und Segelschiff deren Zeit schon längst vergangen, deren Stern aber hoffentlich noch lange nicht untergegangen ist.

Und immer wieder, fast schon wie ein altbekannter Refrain, kehren sie zurück zu Zuckerrohr, Melasse und Rum. Dem Trio, über das der Mann mit dem Pferdeschwanz so viel weiß und noch so viel erfahren will. Sein Wissen an dieser karibischen Tradition erweckt heftigen Widerspruch bei einem aus der gemeinsamen Heimat hierher Zugezogenen bei den, mit dem Können der Destillation vertrauten aber Bewunderung. Betty spricht Englisch, der Mann mit dem Pferdeschwanz kennt sich aus – so die anerkennende Zusammenfassung.

Nur die weihnachtlichen Klänge, die sich in die karibische Melodie mischen, sind für Betty nicht das, was sie in der Heimat sind. Ihr Gefühl und ihre Gedanken sind unter der warmen Sonne mit den Gerüchen der Früchte, dem Geschmack der Gewürze, den Pflanzen und Tieren der Inseln beschäftigt – sie fällt in den Rhythmus der Menschen aber nicht in deren Weihnachtsstimmung.

Als dann der volle Mond am Himmel von Grenada stand, umspielt und umkränzt von einem bunten und glitzernden, großen Feuerwerk da erkannte Betty im Mann mit dem Pferdeschwanz ihren Mann, den schwerhörigen, sesshaften Seefahrer. Verwirrung. Verwechslung. Wie groß war die Freude der beiden das neue Jahr gemeinsam und in der Fremde zu beginnen!

Für Betty und ihren Mann mit dem Pferdeschwanz hat ein großes Steel Pan Orchester die Klänge und Melodien, die Betty schon so lange begleiten, laut und eindringlich gespielt, so dass selbst der Mann mit dem Pferdeschwanz sich ihnen nicht entziehen konnte. Und nur für den Fall, dass die Musik in seinen Ohren wieder verklingt und sich die beständigen Bässe der Heimat durchsetzen steckt die Insel Grenada (als Ohrring) fest in seinem Ohr!

Ja, und wenn Betty und ihr Mann mit dem Pferdeschwanz noch nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und träumen hoffentlich von fremden Ländern und der einen oder andern Holzarbeit auf der Rasmus!

Fotos:

Arbeit

Clarkes's Court

Lambi Queen

De Big Fish

Carriacou Sloop